HEILUNG DURCH GLAUBE

Spiritualität und Medizin haben einander lange Zeit heftig misstraut. Doch nun bestätigen seriöse Studien, was viele Menschen schon immer wussten: Der Glaube an eine höhere Macht tröstet nicht nur in Krisenzeiten, sondern erhöht im Krankheitsfall die Überlebenschance.

Kann Glaube heilen? Die Antwort lautet: Ja, wenn man auch nicht weiß wie, und warum es nicht immer geschieht. Forschungsergebnisse rund um die Welt zeigen, dass Menschen, die sich mit Gott in irgendeiner Art verbunden fühlen, eher gesund werden als andere. Und Kranke, die körperlich nicht genesen, haben eine höhere Lebensqualität, weil sie sich in der Seele „heil“ fühlen. Obwohl die medizinische Wissenschaft für dieses Phänomen keine Erklärung findet, kann der international anerkannte Krebsspezialist Univ. Prof. Dr. Heinz Ludwig diese Erkenntnisse nur bestätigen: „Ich kann immer wieder beobachten, dass Patienten, die an eine höhere Macht glauben, entweder die Krankheit besser bewältigen oder schneller gesund werden. Ich kenne auch Untersuchungen, die belegen, dass Menschen, die beten und für die gebetet wird, länger leben“.

Welches Geheimnis liegt in diesem „Glauben“, dass er solche Auswirkungen haben kann? Ein tiefer Glaube muss nicht mit der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Religionsgemeinschaft einhergehen. Der Entdecker des belebten Wassers, Johann Grander, hat einmal gesagt: „Ich mache mir das mit meinem Herrgott persönlich aus. Ich brauche keinen Telefonisten“ Natürlich finden viele Menschen in der traditionellen Kirche eine Heimat. Aber es gibt auch solche, die sich aufgrund von schlechten Erfahrungen nicht nur von der Kirche, sondern ebenso von Gott abgewendet haben. Und so ist eine schwere Erkrankung oft der Anlass, die Beziehung zu ihm neu zu überdenken. Es ist heute eine unbestrittene Tatsache, dass unsere Gedanken und Gefühle den Körper sowohl positiv als auch negativ in oft dramatischer Weise beeinflussen können. Und doch kommt beim Glauben an Gott noch ein Faktor dazu, der zwar noch rätselhaft erscheint, dessen Auswirkungen aber an der Verfassung der Person deutlich zu erkennen sind.

Die Psychotherapeutin und katholische Krankenhausseelsorgerin Helene Hornich: „Spirituelle Menschen glauben an eine göttliche Kraft, die alle menschlichen Vorstellungen übersteigt und durch deren Eingreifen sich ungeahnte Möglichkeiten eröffnen. Damit geht auch das befreiende Gefühl einher, dass im Krisenfall nicht nur der Patient selbst oder der Arzt oberste Instanz sind, sondern dass es da eine höhere Macht gibt, die helfen kann.“ Stärke kann man auch in der Erkenntnis finden, dass jedes Leid seine Bedeutung hat.

Im Gegensatz zu Sigmund Freud, der Glaube als „schwächliche Krücke für emotionale Krüppel“ bezeichnete, erkannte der KZ-Überlebende und Erfinder der Logotherapie Viktor Frankl die Suche nach Sinn im Leben u n d im Leid als äußerst heilsam. Er sagte: „Wer leuchten will, muss sich verbrennen lassen“. Dan Millman schreibt in seinem Buch „Die goldenen Regeln des friedvollen Kriegers“: „Du brauchst den Schmerz nicht zu suchen, aber wenn er kommt, wird der Weg durchs Feuer dir Weisheiten offenbaren, die du anders nicht erfahren hättest.“ Manchmal ist der Sinn einer Leiderfahrung offensichtlich. Es kann sein, dass es darum geht, krankmachende Beziehungen zu lösen, tiefsitzenden Groll aufzugeben, selbstschädigende Gewohnheiten abzulegen oder einfach zu lernen, sich selbst zu lieben. Manchmal erkennt man aber auch erst viel später, dass man auf genau diesem Weg durch die Hölle Eigenschaften entwickelt hat, die wichtig sind – echte Stärke, tiefes Mitgefühl (nicht Mitleid!) und eine Angstfreiheit, die man nie für möglich gehalten hätte. Glaube, der heilt bedeutet also:

  • Ich gehe davon aus, dass es eine liebevolle höhere Macht gibt (Gott wie ich ihn – oder sie – verstehe), die gütig ist, alles versteht und nicht verurteilt. Ich weiß, dass ich geborgen bin und nie tiefer fallen kann als in Gottes Hand.
  • Ich kann mich jederzeit an Gott wenden und um Unterstützung bitten. Natürlich auch, um ihm zu danken (!)
  • Ich akzeptiere, dass auch Krankheit und Leid Sinn haben und öffne mich innerlich dafür, ihn zu erfahren.
  • Ich weiß, dass ich aus gutem Grund hier bin – um einen Auftrag zu erfüllen, zu lernen, aber auch um mich am Leben zu freuen und Feste zu feiern.
  • Glaube im heilenden Sinne hat nichts zu tun mit der sonntäglichen Pflichterfüllung des Kirchganges oder dem routinemäßigen Gesichtsbad vor dem Altar. Und wirklich krank machen kann die Überzeugung, dass Gott ein strenger Vater ist, der nur auf einen Fehler von mir wartet, um sich grausamst zu rächen. Menschen, die eine Erkrankung als Strafe Gottes ansehen, können mit diesem „Glauben“ ihre Genesung ernsthaft behindern.

Ungewöhnliche Heilungen geschehen und es ist berührend, die Geschichten der Menschen zu hören, denen sie widerfahren sind. Ein stilles Kloster mitten im hektischen Getriebe der Großstadt. Hier arbeitet Pater Clemens Pilar vom Orden der Kalasantiner, der sich der Seelsorge von Jugendlichen widmet. Ein lebhafter Mann mit warmen Augen, dem man das hinter ihm liegende Martyrium nicht ansieht. Im Alter von 15 Jahren erhält der junge Clemens eine niederschmetternde Diagnose: Morbus Crohn, eine entzündliche Darmerkrankung, die in Schüben verläuft und als unheilbar gilt. Er hat starke Schmerzen und muss sich immer wieder schweren Operationen unterziehen. Trotzdem er körperlich in extrem schlechter Verfassung ist, beginnt er mit einem Medizinstudium, das er abbricht, um Priester zu werden. Sein Leben ist geprägt von Krankenhausaufenthalten, Schwäche, unerträglichen Schmerzen und immer wiederkehrenden Schüben der Krankheit. Nach einer besonders schweren Operation ist er in der Intensivstation dem Tode nahe: „Ununterbrochen wiederholte ich „Herr erbarme dich meiner““. Doch gleichzeitig nahm er sein Schicksal an: „Wenn es das ist, was Gott von mir will, werde ich es akzeptieren“. Er überlebte und hatte eines Abends während der Messe eine innere Vision: „Ich sah eine Gruppe von krebskranken Kindern, die ich betreut hatte und die alle schon gestorben waren. Sie lächelten mich an und plötzlich wusste ich, dass es für mich nicht Zeit war zu gehen. Ich sollte den Menschen noch etwas sagen“. Es wurde noch schlimmer. Im Wochenabstand wird er operiert. Viele Menschen beten für ihn, doch für ihn wäre sein Sterben zu diesem Zeitpunkt in Ordnung gewesen: „Ich wusste, ich werde dem Himmel näher sein, heim gehen“ Ein junges Mädchen will für ihn beten und eigentlich möchte er es ablehnen. Um das Kind nicht zu kränken, lässt er zu, dass sie die Worte spricht: „Jesus heilt dich. Wenn du glaubst, bist du geheilt“. Pater Clemens: „Ich kann nur schwer schildern, was dann geschah. Plötzlich überflutete mich die Erkenntnis, dass ich mich ein Leben lang mit diffusen Schuldgefühlen gequält hatte. Wie ein Messer, das gegen mich selbst gerichtet war und das mir nun sanft weggenommen wurde. Obwohl ich seit Jahren nicht mehr weinen konnte, versank ich jetzt in einem regelrechten Tränenmeer. Ich wusste nur, jetzt war seelische Heilung geschehen.“ Drei Tage später muss er zur Untersuchung und es lassen sich keine Anzeichen der Krankheit mehr finden, die sein Leben bestimmt hatte und von der er wusste, dass sie unheilbar ist. Das ist zehn Jahre her und es geht ihm heute so gut wie nie zuvor. „Obwohl ich Priester war, fühlte ich damals zum ersten Mal wirklich, dass Gott mich liebt. Und das bedeutet Heilung für mich: die Beziehung zu Gott in Ordnung bringen“.

Eine ähnliche Erfahrung ganz anderer Art machte die Bergbäuerin Maria Schmidthaler aus Micheldorf in Oberösterreich. Seit Jahren litt sie an so starkem Asthma, dass tägliche Cortison Einnahmen nötig waren. Immer wieder kam sie mit schweren Anfällen ins Krankenhaus. Ihrer Arbeit konnte die Bäuerin nur mehr mit Mühe oder überhaupt nicht mehr nachgehen. Dann hörte sie von Pater Emilio Tardif. Der kanadische Missionar reiste durch die Welt und poetisch hieß es von ihm: „Heilungen begleiten seinen Weg. Aber er will nicht, dass man von Wundern spricht, sondern sagt: diese Heilung ist Gottes Werk.“ Sie fuhr also nach Salzburg, um einen dieser berühmten Heilgottesdienste zu besuchen. Als der Pater vor den 4000 Leuten verkündete, dass zwei Menschen sich hier befänden, die an Asthma litten und jetzt geheilt seien, dachte Maria nicht im Geringsten daran, dass sie gemeint sein könnte: „Ich fühlte nur plötzlich ein warmes Rieseln vom Kopf bis zu den Zehen. Ich wollte aufstehen, war aber so schwindlig, dass ich mich kaum auf den Beinen halten konnte. Außerdem musste ich ununterbrochen weinen.“ Von diesem 11.9.1998 an hat sie nie mehr einen Asthmaanfall gehabt. Auch auf der psychischen Ebene gab es Veränderungen: „Mein ganzes Leben habe ich an Minderwertigkeitsgefühlen und Angst gelitten, auch wenn das keiner gemerkt hat. Heute fürchte ich mich vor nichts mehr.“ Sie arbeitet jetzt aktiv in der Charismatischen Erneuerungsbewegung mit, die regelmäßig Heilgottesdienste veranstaltet. Ungefähr 60 Millionen Menschen weltweit gehören dieser Bewegung an, die sich als „geistiger Aufbruch“ sowohl in der katholischen als auch in der evangelischen Kirche versteht. Pfarrer Josef Michal aus Windhag bei Perg in Oberösterreich leitet solche Segnungsgottesdienste: „Wir fragen, ob jemand ein besonderes Anliegen hat und beten dann für ihn.“

Ungewöhnliche Genesungen hat es immer gegeben. Allein in dem kleinen Pyrenäendorf Lourdes hat die Kirche viele Fälle von „Wunderheilungen“ anerkannt. Was wirkt in Lourdes und anderen Wallfahrtsorten? Greift Gott hier ein oder kommt es durch die innere Haltung von Hoffnung, Freude und Erwartung zu diesen Heilungen? Selbst wenn es so ist, wäre dieser Beweis für die Macht der Psyche schon ein Wunder an sich. Auch beim sogenannten Placeboeffekt ist schließlich nur die tiefe Überzeugung, ein starkes Schmerzmittel einzunehmen, dafür verantwortlich, dass harmlose Zuckerpillen entsprechend wirken.

Wie kann der Einzelne nun seinen Glauben finden? Dafür gibt es kein Rezept und jeder muss sich aufmachen, einen eigenen Weg zu suchen. Für mich persönlich hat sich die Idee einer „Freundschaft mit Gott“ sehr bewährt. Ich erzähle ihm Tagesereignisse, ersuche eindringlich um Aufmerksamkeit, und rege mich auf, wenn etwas nicht so geschieht, wie ich das gerne hätte. Ich hadere, rebelliere, lobe und danke. Sehr oft verstehe ich ihn absolut nicht, aber kleine Geheimnisse sollte man ihm wohl lassen. Und obwohl ich nicht im kirchlichen Sinne gläubig bin, fühle ich mich Gott so verbunden, dass meine Gespräche mit ihm täglich stattfinden. Zum Thema Gottesbeweis hat der Physiker Blaise Pascal bereits im 17.Jh folgende Fragen formuliert: Kann man beweisen, dass es Gott gibt? Kann man beweisen, dass es ihn nicht gibt? Nachdem seriöser Weise beide Fragen mit „nein“ beantwortet werden müssen, stellt er eine dritte: Wäre es nützlich, an Gott zu glauben? Wenn das bedeutet, sich beschützt, angenommen und geliebt zu fühlen, mag sich jeder über die Antwort seine eigenen Gedanken machen. Gott wird für uns Menschen wahrscheinlich ein ewiges Mysterium bleiben.

Aber der berühmte Arzt Dr. Herbert Benson, der 30 Jahre lang zum Thema Glaube und Gesundheit geforscht hat, sagt: „Ob Gott nun wirklich existiert oder lediglich Einbildung eines Gehirns ist, das sich nach ihm sehnt – auf jeden Fall werden die, die an ihn glauben, gesünder“.

 

Literatur:

Benson:
„Heilung durch Glaube“, Heyne Verlag

Dan Millmann:
„Die Goldenen Regeln des friedvollen Kriegers“, Ansata Verlag

Hermi Amberger:
„Wer glaubt, lebt länger“, Ueberreuter Verlag