LIEBE ALS SPIRITUELLER WEG

Jeder von uns sehnt sich nach Liebe. Aber ist das Teilen von Alltag, Bett, Tisch und neurotischen Mustern wirklich alles, was wir wollen?

Eine Beziehung im spirituellen Sinne sagt:
Meine Schwächen sehen deine Schwächen. Willst du, dass wir miteinander tanzen und zusammen stärker werden?
Wo bist du, der fühlt, was ich erlitt, der denkt, was ich dachte, der erkennt, was ich erkannte?
Wo bist du, Bruder meiner Seele?

In tiefer Einsamkeit gehe ich meinen Weg. Selbst Menschen, die mir an sich nahe sind, sind mir in Wirklichkeit fern. Niemand der begreift, erkennt, versteht. Ich glaube immer noch, dass es dich gibt. Für dich Bruder, Freund, Geliebter will ich schreiben.
Und wenn wir uns erst in jenen Tälern des Nebels begegnen, die einer anderen Welt angehören. Dort werden wir aufeinander zugehen und uns endlich, endlich wiederfinden. Mein Herz sehnt sich nach dir, mein Geliebter. Wo sind die Tage, als wir im himmlischen Tanz vereint durch die Lüfte flogen? Einer Sonne entgegen, die nicht brannte, sondern unsere Seelen wärmte und heilte. Wie liebten wir uns und hatten geschworen, uns niemals mehr zu trennen. Die Zeit verlangte ihr Opfer und seither gehe ich allein. Das innige Sehnen in mir, mein Geliebter, gilt dir. Wann kommst du? Wann werden wir uns in jenem Tanze wiederfinden, der niemals enden wird? Wie siehst du jetzt aus, Bruder meiner Seele? Nur fern ist meine Erinnerung an dein Bild. Wenn wir uns wiedertreffen, werde ich dich an deinen Augen erkennen. An der Tiefe des Blicks, deiner Liebe, deiner Sorge um mich, die ich so lange Zeit ohne dich verbringen musste. Wir haben versprochen, uns wiederzufinden, mein Liebster, wenn Zeit und Raum es uns gestatten. Und immer wieder frage ich: Wann kommst du? Der Auftrag war: Frieden finden ohne dich. Das Rad des Lernens, das uns alle weitertreibt, schrieb mir vor – viel zu lange hast du mit ihm in Geborgenheit gelebt – jetzt heißt das Ziel: Beruhige dein Herz, erstarke, wachse, ohne ihn. Wenn deine Aufgabe erfüllt ist, wirst du ihn wiederfinden

Ganz offensichtlich war ich schon vor langer Zeit, als diese Zeilen entstanden, ein recht aufgewecktes Ding, das sich nach dem Seelenpartner sehnte – jener geheimnisvollen zweiten Hälfte, die uns angeblich von Anbeginn der Zeiten an bestimmt ist und mit der wir – dieser Lehre nach – schon einige Leben verbracht haben. Und scheinbar hatte ich schon damals kapiert, dass einem dieser Mann nicht so ohne Weiteres in den Schoss fällt, sondern man sich dafür irgendwie plagen muss.
Hand aufs Herz, was meinen Sie genau, wenn Sie sagen „Ich liebe dich?“ Könnte das neben dem Ausdruck einer gewissen Zärtlichkeit (hoffentlich!) auch bedeuten: „Ich brauche dich, damit du für mich sorgst, ich mich mit den Kindern nicht solo plagen muss, regelmäßig Sex stattfindet, niemand mich Single nennt und ich – verdammt noch mal – nicht alleine bin? Und verlass mich nicht, sonst sterbe ich.“

Der Autor und Tarot-Experte Gerd Ziegler schreibt: „Was viele Menschen „Liebe“ nennen, ist ein Gemisch von Ängsten, Bedürfnissen, Erwartungen, Besitzansprüchen und gegenseitiger Abhängigkeit. Natürlich gibt es auch Augenblicke von tiefer Verbundenheit und Glück, aber trotz allem ist die Realität in den meisten Partnerschaften mehr von einem Nebeneinander geprägt als von einem Miteinander.“
Wer von uns hatte aber nicht auch schon die Vorstellung von romantischer Liebe, in der das Paar in einen rot glühenden Sonnenuntergang reitet, hinein in immer währendes Glück? Kein Mensch will wissen, was geschieht, wenn Held X Heldin Y in seine starken Arme genommen hat und das Wort „Ende“ anzeigt, dass es Zeit ist, den Kinosaal zu verlassen. Irgendwo zwischen diesem verlockenden Sonnenuntergangsklischee und dem „Ich brauche dich, weil …“ liegt das Mysterium einer tiefen, echten Partnerschaft.

Was bedeutet es nun, eine spirituelle Beziehung zu führen? Entgegen dem Eindruck, den das Wort „spirituell“ vielleicht hinterlassen könnte, heißt es nicht, ab nun ausschließlich in einem Kloster zu beten und jede sexuelle Aktivität als Teufelswerk abzulehnen. Es bedeutet vielmehr, dass mir und meinem Partner bewusst ist: „Ich bin aus einem ganz bestimmten Grund mit genau dem Menschen zusammen. Wir beide haben wichtige Dinge aneinander zu lernen und es ist der Sinn der Partnerschaft, dass aus jedem mehr wird und nicht weniger. Dieser Prozess kann atemberaubend schön und abgrundtief erschreckend sein. Aber jeder von uns ist aus tiefstem Herzen bemüht, sein Bestes zu tun. Die Frage lautet nicht: „Was bekomme ich?“, sondern „Was kann ich hier lernen?“ Teil des Lernprozesses kann aber auch sein, zur rechten Zeit zu gehen, wenn die Probleme nicht mehr dem Wachstum dienen, sondern kaputt machen. Das ist doch ein tröstliches Konzept im Gegensatz zu „normalen“ Partnerschaften, in denen Krieg, Langeweile, das Spiel „Du darfst mich einengen, dafür darf ich das bei dir auch“ oder ein Sich-Arrangieren vorherrschen.

Die spirituelle Lehrerin und Bestsellerautorin Marianne Williamson schreibt: „Nur wenige Menschen erkennen wie machtvoll eine echte Liebesbeziehung für körperliche und seelische Heilung ist. Sie befriedigt unser Bedürfnis nach Abenteuer, Sinngebung, verzauberter Magie und einer gefühlvollen Verbindung mit einem anderen Menschen auf tiefster Ebene“. Doch vor so viel Preis haben die Götter bekanntlich besonders viel Schweiß gesetzt. Der Weg zu einer tiefen Erfüllung führt oft durch dunkle Täler des Schmerzes, die gerade eine engagierte Beziehung auslösen kann. Marianne Williamson: „Wirkliche Liebe ist tröstlich und beruhigend, aber meist nicht von Anfang an. Wir müssen zuerst den Panzer durchbrechen, der unser eigenes Herz verbirgt. Es kann Zeiten der Tränen benötigen, um die harte Schale zum Schmelzen zu bringen, die unser zartes Innerstes umgibt – Tränen um jeden vergangenen Schmerz, Verlust oder demütigenden Misserfolg, der durch die Beziehung an die Oberfläche kommt. Menschen, die diese Tränen zulassen, sind keine Versager, sondern wahrhaft mutig. Denn: Zuerst kommt der Schmerz und dann die Kraft. Zuerst bricht das Herz und dann erhebt es sich.“

Kann es wirklich der Sinn einer Liebesbeziehung sein, alte Wunden aufbrechen zu lassen? Eigenartigerweise ja. Wir müssen die Wunden sichtbar machen, sie fühlen, damit sie heilen können. Nur ein Mensch, der uns wirklich nahekommt, kann das bewirken. Marianne Williamson: „Das Licht der Liebe ist dazu bestimmt, auf die unheimlichen, schmerzenden Aspekte unserer Seele zu scheinen, auf jedes Stück früherer Zerbrochenheit, die unter den Felsen in unserem Herz verborgen liegt. Aber in diesem felsigen Grab liegt auch unsere Energie, Leidenschaft und Lebenskraft. Anscheinend tot, aber doch nur schlafend. Die echte Liebe wird den Felsen wegschieben und unser Herz befreien.“ Kein wirklich Liebender kommt darum herum, sich auf tiefster Ebene mit der eigenen Seele zu konfrontieren. So können viele Gefühle an die Oberfläche kommen, die wir ein Leben lang verdrängt haben: Angst und Panik, Wut, Hass, Eifersucht, Groll oder eine immense Traurigkeit. Denn wer sich für die Liebe öffnet, öffnet sich auch für den Schmerz.

Ist das der Grund, warum viele Menschen zwar behaupten, sie suchen die Liebe, aber gleichzeitig solche Angst davor haben? Jeder von uns wurde in irgendeiner Form verletzt. Vielleicht haben wir als Kind nicht das bekommen, was wir so dringend gebraucht hätten, wurden misshandelt, später unter Umständen betrogen, verlassen und hintergangen. Irgendwann hat sich dann im Unterbewusstsein die Überzeugung festgesetzt: Die enge Beziehung zu einem geliebten Menschen = Schmerz = Vernichtung. In der Folge versuchen wir, nun instinktiv Personen und Situationen aus dem Weg zu gehen, die uns an vergangenes Leid erinnern. Das macht aus unserem Leben eine Mischung aus Flucht, Verweigerung und Eiertanz. „Liebesbeziehungen“ sind dann Affären, kurz und bündig, oder durch eine Partnerwahl gekennzeichnet, die echte Nähe von vornherein ausschließt. Damit verweigern wir uns selbst alles, was das Leben mit Zauber füllt: Wärme, Geborgenheit und tiefe Zuneigung. Wenn Sie sich hingegen auf eine wirkliche Liebesbeziehung einlassen, blicken Sie plötzlich genau der Erfahrung ins Gesicht, wegen der Sie sich vor langer Zeit der Liebe verschlossen haben. Jetzt nicht zu fliehen, bedeutet eine echte Chance. Es ist, als ob Amors Pfeil sagen würde: „Bleib stehen. Hier gibt es etwas zu lernen, zu lehren und zu heilen.“ Der ewige Kreislauf von Angst – Schmerz – Flucht, den wir vielleicht schon ein ganzes Leben lang praktizieren, ist zu Ende.

Wir haben die Möglichkeit, die schrecklichen Schmerzen zwar noch einmal zu spüren, sie diesmal aber anders zu bewältigen und dann für immer loszulassen.

Welche Voraussetzungen benötigt eine spirituelle Partnerschaft?

  • Ehrliches Engagement beider Partner, das bedeutet, dass jeder aus tiefstem Herzen „ja“ sagt und sein Bestes tut – für sich, den anderen und die Beziehung.
  • Die Verschlossenheit des eigenen Herzens und die mögliche Angst vor Nähe eingestehen und die Geschichte bewusst machen, die dazu gehört. Das entsprechende Gefühl fühlen, und den tiefen ehrlichen Wunsch, sich der Liebe (wieder!) zu öffnen. Das bedeutet, sich dem anderen auch wirklich zu zeigen, mit all den sogenannten Fehlern und tausend Verletzungen.
  • Warten Sie nicht auf den
  • Jeder Partner ist eine Lernchance: Wer bin ich, was will ich und was will ich nicht. Laufen Sie nicht sofort davon, wenn die Dinge schwierig werden, aber bleiben Sie sensibel, ob hier wirklich ein Lernprozess abläuft, der durchgestanden werden sollte, oder ob es sich um einen Schrecken ohne Ende handelt. Nicht jede Beziehung ist dauerhaft und der Lernschritt kann auch bedeuten, zu einer destruktiven Erfahrung „nein“ zu sagen. Spirituelle Partnerschaft bedeutet nicht, in krank machenden Situationen zu verharren. Aber einen Menschen abzulehnen, weil er nicht 100% der Idealvorstellung entspricht, heißt vielleicht, eine wichtige Erfahrung auszuklammern.
  • Ein klares „Nein“ zu Zerstörung in jeder Form. Erteilen Sie Menschen mit zerstörerischen Mechanismen eine klare Absage. Allerdings auch dem entsprechenden Teil in sich selbst!
  • Durchschauen Sie Projektionen als eigenen „Schatten“. Wir neigen dazu, verdrängtes Material auf den Partner zu projizieren und ihn dann genau dafür zu beschuldigen. Was immer uns an ihm aufregt oder stört, hat als Thema eine Entsprechung in unserem Inneren und gehört auch dort bearbeitet. Das bedeutet natürlich nicht, seelischen oder körperlichen Missbrauch zu dulden. Aber fragen Sie in diesem Falle: Wo missbrauche ich mich selbst?
  • Eine gute Kommunikation ist die Basis jeder Beziehung. Hören Sie einfühlsam zu, gehen Sie auf den anderen ein und achten Sie darauf, dass der andere das Gleiche mit Ihnen tut.
  • Lernen Sie, sich selbst zu lieben und glücklich zu machen.
  • Lassen Sie los, was einengt, quält, klein hält oder langweilt. Finden Sie heraus, wozu Ihr Herz wirklich ja sagt und machen Sie es zum wichtigsten Lebensziel, glücklich zu sein. Liebe kann ein riesiger Berg sein, ein tosender Sturm, eine kühle Brise, ein entspannendes Bad. Aber in ihrer Nähe ist immer Feuer. Und dieses Feuer ist das größte Geschenk. In einer spirituellen Partnerschaft verbrennt es nicht unser Herz, sondern Ballast, der nicht mehr zu uns gehört. Und geben Sie nicht auf. Irgendwann haben Sie Ihre Lektionen so intensiv begriffen, dass die Zeit reif ist, ihm oder ihr zu begegnen.

Literatur:

Marianne Williamson:
„Verzauberte Liebe“, Lotosverlag

Gerd Ziegler:
„Tarot – Spiegel deiner Beziehungen“,Urania Verlag

Rhea Powers:
„Durchs Feuer“, Chr. Falkverlag

Nina Larisch-Haider:
„Füreinander bestimmt“