„DARÜBER KOMME ICH NIE HINWEG“ –
DIE „NEUE“ KRANKHEIT VERBITTERUNGSSTÖRUNG

Sie wurden gekündigt, verlassen, gedemütigt, zutiefst verletzt. Sie sind krank geworden oder haben einen geliebten Menschen durch den Tod verloren. Und sie fühlen nur eines: tiefste Verbitterung, dass gerade Ihnen das passieren musste.

Kennen Sie dieses Gefühl von “ Nachdem das geschehen ist, ist alles zu Ende?“ Ein Ereignis, das nie hätte stattfinden dürfen, hat sich ereignet und trifft Sie wie ein Schlag. Der Atem stockt, der Boden schwankt und der Magen krümmt sich. Sie leben weiter, aber Sie wissen, dass Sie das niemals verkraften werden. Und etwas in Ihnen wird hart wie Stein.

Der Berliner Psychiater Dr. Michael Linden hat sich im Rahmen einer Studie erstmals mit dem Phänomen von Verbitterung und ihren Folgen auseinandergesetzt. Linden: „Am Anfang dieses Krankheitsbildes steht immer eine tiefe persönliche Kränkung. Der Betroffene fühlt sich herabgewürdigt, ungerecht behandelt und hat keinerlei Werkzeug, um mit dieser Situation umzugehen. Auslöser können Schwierigkeiten am Arbeitsplatz, Verlusterlebnisse, familiäre Probleme, der Ausbruch einer Krankheit, oder ein Hintergangenwerden sein.“ Welche Symptome kann ein Betroffener entwickeln? Der klinische Psychologe Mag. Johann Beran hat als Arbeitstherapeut viel mit der Thematik zu tun: “ Verbitterung entsteht unter Umständen dann, wenn ein Mensch Schlimmes erlebt, dem er sich machtlos ausgeliefert fühlt. Folge können Depressionen, Angstzustände, Aggressionen, Schlafstörungen und eine Fülle von körperlichen Reaktionen sein. Die Gedanken kreisen ständig um das bestimmte Geschehnis und in schweren Fällen ist der Verbitterte auch selbstmordgefährdet. Die Krankheit kann zu dauerhafter Arbeitsunfähigkeit führen, wenn sie nicht entsprechend behandelt wird“.

Wer entwickelt eine posttraumatische Verbitterungsstörung?

Besonders gefährdet sind Menschen, die ein geringes Selbstbewusstsein haben oder ihren Selbstwert ausschließlich aus dem Lebensbereich ziehen, der nun „gestört“ ist. Wer nur für die Arbeit lebt und dann gekündigt wird, reagiert anders, als jemand der großen Rückhalt im Privaten hat. Und wer verlassen wird, kann mit Hilfe einer befriedigenden Tätigkeit vielleicht leichter darüber hinwegkommen. Dr. Margit Steinzer, Psychologin und als Mediatorin „Fachfrau“ in Scheidungsfragen: „Paare, die bei der Trennung eine Mediation in Anspruch nehmen, können mit Verlust in der Regel viel besser umgehen und sind danach weniger verbittert“.

Auch ich habe als Psychologin in der Arbeit mit Krebspatienten beobachtet, dass jene eher verhärten, die sich einem ungerechten Schicksal hilflos ausgeliefert fühlen. Menschen, die einen Sinn auch in schlimmen Erfahrungen finden können, sind bereit, selbst in Lebenskrisen die Chance für einen Neubeginn zu sehen. Sehr enge Auffassungen darüber wie Dinge zu sein haben, begünstigt ebenfalls das Auftreten einer Verbitterungsstörung.
Die meisten Betroffenen lehnen psychologische Hilfe kategorisch ab und versperren sich damit selbst den Weg zur positiven Bewältigung der Kränkung.

Was kann trotzdem helfen? Das 5 Punkteprogramm gegen das „verschlossene Herz“:

Akzeptieren Sie, was geschehen ist
Zum Leben gehören auch Niederlagen, Verluste und Schmerz. Wenn Sie der Meinung sind, das gewisse Ereignisse niemals hätten stattfinden dürfen, befinden Sie sich im Kampf mit der Realität. Das ist nicht nur erschöpfend und frustrierend, sondern auch völlig sinnlos.

Lassen Sie alle Gefühle zu
Verbitterung ist nicht gelebtes Gefühl. Die Bestsellerautorin Melody Beatty schreibt: “ Ich werde oft gefragt: Ist es wirklich wichtig, alle Gefühle zu empfinden? Ja, das ist es. Ob Zorn, Trauer, Angst, oder Frustration – jedes Gefühl, das auf unsere Lebensgeschichte eingewirkt hat, muss bewusstgemacht und anerkannt werden. Denn jede unterdrückte Emotion schwächt und erzeugt ein inneres Ungleichgewicht, dass nicht nur zu Verbitterung, sondern auch zu Krankheit führen kann. Geben Sie die Haltung auf, in der Sie nur erdulden, kontrollieren oder innerlich immer mehr verhärten. Fühlen Sie, was auch immer es in Ihrem Fall zu fühlen gibt und lassen Sie dann Sie los!“

Sehen Sie den Sinn auch in leidvollen Situationen
Vertrauen Sie darauf, dass jede Erfahrung Ihrer persönlichen Entwicklung dient und dass sie den Nutzen oft erst zu einem späteren Zeitpunkt erkennen werden. Es kann auch hilfreich sein, sich mit spirituellen Fragen auseinanderzusetzen: Welchen Sinn hat dieses Leben? Wer bin ich wirklich, woher komme ich, wohin gehe ich? Ist es hilfreich, Gott in mein Leben einzubeziehen und was könnte das für mich bedeuten?

Lieben Sie sich selbst
Verbitterung vergiftet Seele und Körper. Wer sich selbst liebt, wird nicht auf Dauer in solch einem Zustand verharren wollen, weil er in höchstem Masse zerstörerisch ist. Wenn Sie über etwas sehr verbittert sind, überlegen Sie zunächst:
Was tut mir trotzdem gut?
Wie kann ich den Spaßfaktor in meinem Leben erhöhen?

Gibt es Menschen, die mir in meinem Elend nicht nur beipflichten, sondern neue Perspektiven aufzeigen? Versuchen Sie auch die Bachblüte „Willow“. Die Blütentherapeutin Mechthild Scheffer: “ Willow hat einen besonderen Nutzen für Menschen, die sich ungerecht behandelt fühlen und mit dem Schicksal hadern. Sie sind enttäuscht, beleidigt und verbittert. Diese Blüte hilft zu einer versöhnlichen Lebenseinstellung,“

Setzen Sie sich mit dem Thema „Verzeihen“ auseinander.
Vergeben bedeutet nicht, dass wir verletzendes Verhalten gegen uns entschuldigen. Es heißt nur, die negative Energie loszulassen, um die eigene Seele und den Körper vor Schaden zu bewahren. Der Arzt Dr. Gerald Jampolsky, der sich speziell mit Nichtvergebenkönnen und Krankheit beschäftigt hat, sagt: „Verzeihen bedeutet die Wunden nicht länger aufzukratzen, damit sie aufhören können zu bluten. Und: Nichtverzeihen ist das beste Rezept, um zu leiden – seelisch und körperlich.“
Vergessen Sie nicht: Verbitterung bringt sie nicht einen Schritt weiter. Was auch immer geschehen ist – öffnen Sie Ihr Herz erneut. Erst dann kann Liebe wieder fließen. Für andere, aber in erster Linie für Sie selbst.

Literatur:

Melody Beatty:
„Der Weg zur inneren Stärke“, Heyneverlag

Gerald Jampolsky:
„Verzeihen ist die grösste Heilung“, verlag Integral

Mechthild Scheffer:
“ Die Original Bachblütentherapie“ Irisiana Verlag