WENN DIE LIEBE ENDET

Ein Mensch geht und ein anderer bleibt zurück – betäubt, zerschmettert, halb tot. Es ist, als ob das Leben aus der Seele fließt und alles endet.

Auch wenn es unvorstellbar scheint: Es gibt einen Weg zurück zu Lebensfreude und Glück. Der Schmerz ist bodenlos und nur ein Gedanke dringt durch den Nebel von Auflösung und Entsetzen: „Jetzt sterbe ich“. Und dieses Sterben erscheint unendlich tröstlich. Ruhe, Frieden und Geborgenheit im Gegensatz zu meiner Welt, die langsam immer mehr zerbricht. Ich will nur Eines: Nicht mehr fühlen müssen, was mir das Herz zerreißt. Er hat mich verlassen und die verkrümmte Gestalt, die seit Tagen zwischen Bett, Küche und Toilette hin und her wankt, ist mir fremd. In meinem Kopf gibt es nur einen Schrei – NEIN, ES IST NICHT GESCHEHEN. NICHT MIR. NICHT ER.

Verlassen zu werden, ist wie ein Tod mitten im Leben. Kaum ein anderes Ereignis wirft uns derart zu Boden und nimmt jede Kraft zum Überleben. Auch ein Mensch, der stirbt, verlässt, aber jeder andere wählt. Er hätte bleiben können, entscheidet sich aber freiwillig dafür, uns zu vernichten. Und jetzt ist grausame Gewissheit, was wir tief im Inneren schon immer geahnt haben: „Ich bin nicht gut. Nicht gut genug. Ich bin es nicht wert, geliebt zu werden“. Als ich verlassen wurde, empfand ich genauso. Ich war eine blutende Wunde und jedes Werkzeug zu meinem Schutz war mir genommen. Nackt und waffenlos stand ich einem Leben gegenüber, das ich so nicht mehr wollte.

Doris Wolf schreibt in ihrem Buch „Wenn der Partner geht …“: „Die Bewältigung einer Trennung ist wie das Besteigen eines unendlich hohen Berges, dessen Gipfel in den Wolken verschwindet. Anders als ein begeisterter Alpinist stehen Sie aber nicht freiwillig im Tal. Und der Aufstieg erfolgt nur Schritt für Schritt, denn es gibt keine Möglichkeit, direkt zum Gipfel zu kommen. Für diese Tour brauchen Sie Zeit und manchmal scheint sie endlos.“

Ich sage Ihnen als Psychologin und Betroffene – sie hat Recht! Der Weg zurück in ein lebenswertes Leben dauert – und niemand weiß, wie lange. Aber wenn Sie diesen Lebensabschnitt nicht ausschließlich zum „Ins-Elend-Versinken“ nutzen, sind Sie nachher weiser und stärker. Es ist wichtig zu wissen, dass die Zeit nach einer Trennung in vier Phasen abläuft, die sich überlappen, zusammenfallen oder miteinander vermischen können.

Wichtig: es gibt jede Menge Rückfälle!

Als ich schon dachte, dass es jetzt überstanden ist, wurde ich durch erneute Depressionsanwandlungen eines Besseren belehrt. Doris Wolf: „Das Wissen um diese Phasen wird aber helfen, Ihre Gefühle besser zu verstehen und zu akzeptieren. Sie werden sich nicht mehr so ausgeliefert fühlen oder den Eindruck haben, verrückt zu werden.“

In Phase eins wollen Sie die Realität nicht akzeptieren. Sie verleugnen die Trennung, arrangieren „zufällige“ Treffen, tragen noch den Ring oder leben in der Hoffnung, alles sei nur ein böser Traum.

Phase zwei ist durch starke Stimmungsschwankungen gekennzeichnet. Sie sind verzweifelt, hilflos, wütend oder entwerfen wilde Rachepläne. Und Sie haben Angst – vor dem Alleinsein, den Nächten, den Wochenenden, der Zukunft. Die Gedanken an den Partner und die trostlose Frage: „Was soll nur aus mir werden“ beherrschen Sie. Je nach Persönlichkeit empfinden Sie innere Leere oder unterdrücken alle Gefühle. Das scheint die einzige Maßnahme gegen einen Schmerz zu sein, der Sie zerstören könnte. Andere flüchten in ständige Aktivität oder ziehen sich vollkommen zurück.

Phase drei bringt das Licht am Horizont. Auch wenn immer wieder Tränen fließen, nehmen Sie das Leben langsam wieder in die Hand. Im Idealfall erkennen Sie nun auch Zusammenhänge zwischen Ihrem Wesen und dem Verlauf der Partnerschaft. Vielleicht wird Ihnen sogar klar, dass Sie am Scheitern der Beziehung „mitgearbeitet“ haben, weil Sie das Ende unbewusst auch wollten.

In Phase vier haben Sie dann ein neues Lebenskonzept entwickelt oder sind zumindest ernsthaft damit beschäftigt. Sie erkennen, dass die Trennung keine Strafe dafür war, dass Sie versagt haben, sondern die einzige Lösung, damit Sie sich weiterentwickeln konnten. Sie haben wichtige Schlussfolgerungen aus Ihrer Vergangenheit gezogen und neue Fähigkeiten bei sich selbst entdeckt.

Andere gehen den scheinbar einfacheren Weg. Doris Wolf: „Einige Menschen haben nicht die Kraft, die vier Phasen durchzustehen. Sie stürzen sich schnell in eine neue Verbindung, bleiben in Hass und Depression stecken, oder versöhnen sich nur aus Bequemlichkeit mit dem Expartner. Damit schneiden sie sich von wichtigen Lernschritten ab. Nehmen Sie die Anstrengung auf sich, den Gipfel zu erreichen. Es wird Ihnen nicht mehr abverlangt, als Sie ertragen können. Sie werden aus dem Chaos herausfinden, selbst wenn Sie sich noch ein paar Mal im Tal verirren“.

Wie immer gibt es zur Bewältigung von schweren Krisen kein Patentrezept. Ich spare die 08/15 Ratschläge wie „Gehen Sie unter Leute“, „Besuchen Sie Seminare“ oder „Machen Sie eine Therapie“ bewusst aus.

Das wissen Sie ohnedies. Ich möchte Ihnen aber einige Dinge zur Kenntnis bringen, die mir geholfen haben, diesen Wahnsinnsberg zu besteigen.

Der möglicherweise unangenehmste Teil ist zugleich der erste Schritt:

ÜBERNEHMEN SIE VERANTWORTUNG
Es ist unglaublich verlockend und absolut verständlich, dass Sie dem Partner für Ihr Elend die Schuld geben. Sein Verhalten war ein gemeiner Angriff und er hat Sie damit in tiefstes Unglück gestürzt. Sie können natürlich die Dinge weiterhin ausschließlich so betrachten, aber das ist die sicherste Methode, Ihr Problem zu behalten. Viel zielführender ist die berühmte Frage: Warum passiert gerade mir, gerade das, gerade jetzt? Konstruktiv mit Leid umzugehen, bedeutet: Trotzdem ich im Augenblick mit Überleben beschäftigt bin, erkenne ich die Lernaufgabe, die hinter den äußeren Ereignissen liegt. So gibt jede Trennung schmerzhaft darüber Aufschluss, wie es um unseren Selbstwert bestellt ist, welche Größe der Innere Zerstörer hat und wie gut wir im Grenzen-Setzen sind. Tatsache ist: Sie sind für Ihre Selbstliebe selbst verantwortlich, denn kein Partner kann sie Ihnen vermitteln. Wenn doch, dann nimmt er sie mit, wenn er geht. Und niemand kann Ihnen so viel Zuwendung geben, dass die bohrenden Zweifel bezüglich Ihres Wertes verschwinden. Die Lektion lautet also: MEIN SELBSTWERT WIRD NICHT VERNICHTET, AUCH WENN EIN MENSCH MICH VERLÄSST. Setzen Sie sich auch mit spirituellen Fragen auseinander. So hat für mich alles was geschieht Sinn, auch wenn er im Moment nicht erkennbar ist. Diese Sichtweise kann gerade im Falle einer Trennung extrem hart sein, aber sie unterstützt den Heilungsprozess. So ziehen wir auch nicht zufällig genau jene Menschen als „Lehrer“ an, die uns mit den ungeheilten Seelenteilen konfrontieren. Ist der Lernprozess abgeschlossen, verschwinden diese Personen wieder auf die eine oder andere Art. Iyanla Vanzant schreibt in ihrem Buch „Bis heute“: „Wenn eine Sache in Ihrem Leben keinen Zweck mehr erfüllt, geht sie kaputt. Oder sie rennt weg. Oder sie packt und geht vielleicht sehr unvermittelt. Ein anderes Mal fehlen plötzlich einige Stücke und machen es unmöglich, die Sache wieder zusammenzufügen. Wenn Sie also versuchen, an etwas festzuhalten, was seinen Zweck in Ihrem Leben erfüllt hat, werden Sie sich unweigerlich wehtun“.

Der zweite Schritt heißt:

HALTEN SIE IHR HERZ OFFEN
Jemand hat Ihnen unendlich weh getan. Was wäre verständlicher als einfach zuzumachen, eine innere Mauer zu errichten, damit nie, nie wieder ein anderer Ihnen solchen Schmerz zufügen kann? Diese Reaktion ist zunächst durchaus sinnvoll. Aber bitte achten Sie darauf, dass das verschlossene Herz kein Dauerstand wird. Hinter einem riesigen Ziegelberg zu sitzen, kann verdammt einsam sein.

Lassen Sie also alle Gefühle zu, auch wenn das – vorsichtig ausgedrückt – eine sehr intensive Erfahrung sein kann. Denn wenn ein wichtiger Mensch geht, berührt das immer unsere tiefste Wunde. Diese ist früh im Leben entstanden, als wir unbewusst begriffen haben, dass Verlassenwerden den Tod bedeutet. Ein Kind alleine überlebt nicht, sondern geht zugrunde. Durch das Weggehen wird der alte Schmerz erneut hervorgerufen und kann wirklich todesähnliche Qualität annehmen. Wir reagieren also nie nur auf die aktuelle Situation, sondern auf alle Verletzungen, die wir in dieser Hinsicht je erlitten haben. Versuchen Sie aber heute zu verstehen: Dieser Mensch hat Sie nicht verlassen, weil er Ihnen wehtun wollte, sondern weil er es aufgrund seiner Lebensgeschichte und persönlichen Einstellung tun musste. Sie sind nicht wertlos oder gar ein Todeskandidat, weil er gegangen ist. Lassen Sie Ihr Herz offen – zuerst für den Schmerz und dann für die Liebe zu sich selbst. Ein wenig später vielleicht auch für Mr. oder Mrs. Right…

Schritt drei kann eine spannende Herausforderung sein:

GESTALTEN SIE IHR LEBEN NEU 
Irgendwann ist der Zeitpunkt gekommen, an dem Sie nicht mehr nur wimmern, dass „er“ da sein soll. Es ist auch plötzlich kein reizvoller Gedanke mehr, lieber mit ihm gemeinsam unterzugehen, als ohne ihn zu leben. Stellen Sie ab dann eine einzige Frage: „Wie kann ich mein Leben so führen, dass ich Regisseur bin und nicht Nebendarsteller?“ Finden Sie Antworten in Bezug auf alle Lebensbereiche – die berufliche Situation, Menschen, mit denen Sie sich umgeben, Wohngegebenheiten, die Art Ihres Stylings und nicht zuletzt die Wünsche an eine Partnerschaft. Sie sind durch eine Hölle gegangen. Es würde mich wundern, wenn Sie noch der (die) Gleiche sind wie vorher. Lassen Sie also den heilsamen Wind der Veränderung alle überalterten Strukturen in Ihrem Leben hinwegwehen.

Wenn Sie dennoch traurig werden, lesen Sie die Worte von Melody Beatty: „Wenn ein bestimmter Mensch nicht mit Ihnen zusammen sein will, dann lassen Sie ihn ziehen. Ersehnen Sie etwa die Gegenwart von jemandem, der mit Ihnen nichts zu tun haben möchte? Natürlich nicht. Ich habe nach langen Leidensjahren folgenden Gedanken entwickelt: Wenn du nicht mein Freund, mein Liebhaber oder mein Chef sein willst, dann will ich dich in meinem Leben nicht haben.“ Sobald Sie sich diesen Grundsatz zu eigen gemacht haben, fällt es Ihnen leichter, unnötigen Beziehungsballast abzuwerfen und loszulassen. Der oder die Richtige will ohnedies bleiben.

 

LITERATUR:

Doris Wolf:
„Wenn der Partner geht…“,
Palverlag

Helga Baureis:
„Herzschmerz?“,
Bauerverlag

Melody Beatty:
„Der Weg zur inneren Stärke“,
Heyneverlag